Tabula Rasa oder: mein Weg raus aus dem Social Media Dschungel

POV —

ich habe es endlich geschafft, Urlaub zu machen und in dieser Zeit mein Handy wegzulegen. Hab es so weit von mir weggelegt, dass ich es manchmal nicht mal mehr finden konnte. So weit, dass ich es nun irgendwie nicht mehr so richtig schaffe mit diesem Zeitfresser zu leben.

Vor dem Urlaub war es nämlich so: ich habe mich selbständig gemacht als Grafikdesignerin. Bin mit meinem Freund zusammen gezogen und habe einen Van gefunden. Ergo, ich war nonstop auf Instagram & Co., um Inspiration zu finden. Habe mich mit anderen Designern verglichen. Habe mich von all den super modernen und stilvollen Einrichtungen beeinflussen lassen. Wollte dies haben. Wollte das haben. Ich war in einem Rausch gefangen und konnte Stille nicht ertragen. Wirklich, es fiel mir richtig schwer mal zu entspannen und nichts zu machen. Generell bin ich eher Typ: Macher. Aber da hat es sich irgendwie durch den Umzug und durch meine Selbständigkeit nochmal zugespitzt. Ich war so im Rausch, dass ich es nicht mal gemerkt habe, wie tief drin ich stecke.


Unter Einfluss

Und dann kam der Urlaub. Mein Freund und ich sind mit dem Van nach Polen an die Küste gefahren, um die letzten Sommertage aufzusaugen. Nochmal die Chance haben, uns vom Sommer zu verabschieden, bevor wir dann noch für ein paar erste herbstliche Tage zu meinem Vater fuhren. Urlaub ist ja bekanntlich dazu da mal zu entspannen. Dem Alltag zu entfliehen und das zu machen, was man eben im Alltag nicht schafft. Für mich war es der Drang danach einfach mal das Handy wegzulegen. Also legte ich es weg und entfernte mich so sehr davon, dass ich es am liebsten weggeworfen hätte. Ich wollte nicht mehr die ganze Zeit funktionieren müssen, erreichbar sein müssen, mich präsentieren müssen. Nein. Ich wollte einfach nur so sein. Ich wollte wieder die kleinen Momente bewusster genießen. Wie schön, war es auf dem Campingplatz inmitten von Pinien zu sitzen und einfach hoch in die Bäume zu schauen. Den Sonnenuntergang am Meer zu genießen. Es war so so schön. Und doch holte mich die Realität schnell wieder ein. Denn als wir am Strand saßen und um uns herum blickten, waren Handys so weit das Auge reichte. Eine Influencerin im weißen Kleid durchnässt vom Wasser tanzte und posierte vor dem Sonnenuntergang. Ein Pärchen machte die ganze Zeit Fotos, während ihr Hund nach Aufmerksamkeit ächzte. Auch ich fühlte den Drang, den Sonnenuntergang aufzunehmen, um ihn dann später auf Instagram posten zu können. Aber wieso? Damit ich zeigen kann, wie schön ich es habe? Und wie erschreckend ist diese Feststellung bitte? Mir wurde plötzlich bewusst, wie sehr ich unter dem Einfluss von Social Media stehe. Am nächsten Tag lies ich das Handy zum Sonnenuntergang im Auto. Ich wollte damit aufhören.

Tabula rasa

Ich will vor allem meine Perspektive ändern. Denn die Fotografie begleitet mich schon seit meinem 15. Lebensjahr und ich liebe es einfach schöne Dinge festzuhalten. Und ich liebte es schon früher als Kind mit meinem Vater seine ganzen gedruckten Fotos immer und immer wieder durchzuschauen. Mich prägt das Gefühl von Fotos umgeben zu sein. Im Wohnzimmer, im Schlafzimmer, in der Küche, im Bad, im Auto – einfach überall. Doch mich soll nicht in zwanzig Jahren das Gefühl prägen, dieses Gefühl verloren zu haben, weil die Fotos nur noch auf dem Handy und Social Media zu finden sind. Ich möchte irgendwann in lauter bunte Alben blicken, die mich an schöne Zeiten erinnern. An Zeiten, in denen ich nicht abgelenkt war durch den Bildschirm. Sondern Zeiten intensiver Gefühle. Und intensiv fühlen, kann ich erst wieder, seitdem ich mich von meinem Handy distanziert habe. Ich habe das Gefühl Tabula Rasa machen zu wollen. Irgendwie den Sprung wagen, raus aus dem Social Media Dschungel hinein in mein Innerstes. Doch wie schafft man das in einer Zeit der wachsenden Digitalisierung, in der man sich fast ein Leben ohne Handy & Co. nicht vorstellen kann? Und wie erschreckend ist dieser Gedanke?

Seit dem Urlaub versuche ich möglichst wenig ans Handy zu gehen und wenn ich mich doch mal erwische, in der Scrolling-Falle gelandet zu sein, schalte ich es aus und lege es weg. Aber mich beschäftigt der Drang, komplett damit aufzuhören. Ich merke in letzter Zeit, wie wohltuend es ist, nicht ständig darüber nachzudenken, was ich posten soll, wie es wohl ankommen wird und ob es zum restlichen Look passt. Plötzlich ist da viel mehr Zeit Dinge zu tun, die ich sonst nicht getan habe. Ich gehe morgens zum schwimmen statt morgens im Bett mit Handy liegen zu bleiben. Lese am Abend die Bücher, die ich seit langer Zeit lesen wollte. Die Spaziergänge mit Theo (mein Hund) erlebe ich viel intensiver. All das, was ich gerade durch die gewonnene Zeit erlebe, möchte ich nicht mehr vermissen. Ich fühl mich so sehr im Jetzt, wie schon lange nicht mehr. Genieße auch einfach mal nichts zu tun. Ohne das Gefühl, etwas zu verpassen. Weil ich nicht mehr sehe, was ich verpassen könnte. Ich sehe da nur noch meine Bedürfnisse, die ich sonst nicht fühlen konnte. Ich liebe diesen Zustand so sehr, dass ich mehr davon erfahren möchte. Und darüber möchte ich schreiben. Schon immer war das mein Wunsch, das, was ich im Alltag erlebe und denke, was ich in Fotografien festhalte, auch wörtlich festzuhalten. Und ja, vielleicht auch damit zu inspirieren.

in liebe, toffi

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»Jeder Mensch ist etwas Besonderes.«

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