Sein oder nicht sein — Unsere Beziehung mit dem Handy
Nicht sein
Nicht sein? Nicht morgens, mittags, abends, nach dem aufwachen, vor dem schlafen, beim gehen, beim warten, auf Klo, im Café, beim treffen am Handy sein?
Ja, momentan ist mir eher nach nicht sein. Denn vor kurzem schon ganz vergessen, wie es überhaupt ist, wenn man mal nicht online ist. Ja, vielleicht habe ich auch einfach gerade eine starke Anti-Phase. Wohin ich sehe, sehe ich gebeugte Köpfe. Junge Freundinnen, die draußen zusammen Zeit verbringen – am Handy. Ein Mann, der mit seinem Hund draußen ist – am Handy – und nicht merkt, dass sein Hund auf meinen zusteuert. Ein Pärchen im Wartezimmer eines Frauenarztes, vielleicht sogar ein aufregender Moment – aber beide am Handy. Je mehr ich hinschaue, desto mehr sehe ich. Desto mehr ekel ich mich.
Vor kurzem hatte ich ein prägendes Erlebnis. Eine Partnerübung auf einem Retreat, in der ich und eine mir relativ unbekannte junge Frau uns einfach nur ansehen sollten. Kurz vorher erzählte sie, wie sie sich nicht wahrgenommen fühlt von ihrer Umgebung. Alle sehen nur das Bild einer glücklichen, extrovertierten Frau. Weil es so auf Instagram zu sehen ist. Weil es vielleicht auf den ersten Blick immer so wirkt. Und sie sagt: Ich weiß gar nicht, wann mich jemand das letzte mal mit ehrlichem Interesse gefragt hat, wie es mir geht. Und so sehen wir uns dann eine Weile an. Und Tränen steigen auf. Ich bin überwältigt von dem Gefühl, loszulassen. Zu vertrauen. Und fange erstmal bei mir an.
Es ist scheinbar so selbstverständlich geworden, ständig erreichbar zu sein. Zu folgen, zu kommentieren, zu scrollen, zu liken. Das Bedürfnis zu haben, sich mitzuteilen. Ständig zu posten. Zu Posen.
Oder?
Ich bemerke immer öfter, dass mir abends der Kopf rauscht. Dass ich wieder in einem Alltagtunnel feststecke. Dass mich ein unerklärlicher Druck stresst. Und mache einen Cut. Mehr ich, weniger Handy. Als ich eines Tages einfach so da liege, stelle ich fest: Ach ja, so fühlte sich Stille an. Mal wieder mein Inneres hören können. Und nicht mein Ego, dass immer wieder in die Falle tappt, sich zu vergleichen. Mehr von mir zu verlangen, als mir gut tut.
Mein Beruf verlangt es zwar, viel in der digitalen Welt zu sein, doch trotzdem versuche ich auch hier mich erst einmal zu distanzieren. Ich möchte versuchen mehr im Jetzt zu sein. Ehrliche, schöne Gespräche führen. Einfach mal auf meinem Teppich im Zimmer liegen und vor mich hin existieren. Träumen. Achtsam mein Essen genießen. In meiner Mittagspause Barfuß durchs Gras laufen. Langsamer und dadurch bewusster werden.
Sein
Sozial vernetzt sein. Sich auf einfache Weise weiterbilden können. Inspiration finden. Die digitale Welt schafft unglaublich viele Möglichkeiten. Hat ganz klar ihre positiven Seiten. Auch ich genieße es, dass ich mich mit Freunden aus aller Welt austauschen kann. Dass ich einen Job ausüben kann, der mir ein flexibleres Leben schenkt.
Doch wie nutzen wir die Möglichkeiten? Nutzen wir sie achtsam und so, dass sie uns den richtigen Mehrwert geben? Oder sehen wir nur, was wir sehen wollen? Sehen, was wir nicht haben und uns vorgaukeln, dass wir es brauchen, so dass es uns besser geht. So, dass wir es dann der Welt präsentieren können.
In einer Phase der Stille merke ich immer wieder, dass weniger eben wirklich mehr ist. Und frage mich, was waren meine glücklichsten Momente? Überraschung: es waren Momente, in denen ich nicht am Handy war. Sondern als ich nur mit meinem Rucksack auf den Schultern wandern war. Mit meinem Freund draußen auf der Wiese Backgammon gespielt habe. Mit meiner besten Freundin beseelt die letzten Reste von dem Garnelensud mit Brot aufgesaugt habe. Momente, in denen ich mich an der Freude des anderen erfreut habe. Momente, in denen ich so sehr im Jetzt war, dass die Zeit gefühlt still stand.
Hand aufs Herz: wie viel seid ihr wirklich am Handy? Habt ihr die Kontrolle und schafft Balance? Oder braucht ihr auch mal wieder etwas Abstand? Lasst es mich gerne in den Kommentaren wissen.
// Alles meine eigene Wahrnehmung, meine Gedanken.